14.11.2023
Das mit dem Kürzel EHDS beschriebene Vorhaben des Europäischen Gesundheitsdatenraums soll die EU und ihre Mitgliedsstaaten fitter für das 21. Jahrhundert machen. Doch wieso sollten wir Daten „europäisieren“ und welche Bedeutung würde das für das deutsche Gesundheitswesen haben?
Für rund sieben Millionen Arbeitnehmer:innen in der EU ist das europäische Versprechen der Freizügigkeit gelebte Realität. Grenznah lebend, arbeiten Sie als Pendelnde oder sie haben sich zum Leben und Studieren oder Arbeiten an einem anderen Ort als dem Land, in dem sie geboren sind, niedergelassen. Im Krankheitsfall kann ein:e deutsche:r Bundesbürger:in, die in Spanien arbeitet, aber nun mal nicht eben zu ihrer Hausärzt:in in Deutschland gehen. Im Zuge der europäischen Einigung mussten die EU-Mitgliedsstaaten zum 1. Juni 2004 die europäische Rechtsvorgabe der europäischen Gesundheitskarte (– im Englischen mit EHIC abgekürzt –) umsetzen. Alle Informationen, die für die Gewährung unmittelbar erforderlicher medizinischer Leistungen und die Erstattung der Kosten im EU-Ausland notwendig sind, sind auf einer EHIC gespeichert.
Nach der EHIC der EHDS
Der nächste große Wurf der EU ihrer Vision der Gesundheitsunion soll der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) sein. Im Mai des vergangenen Jahres stellte die Europäische Kommission ihr Vorhaben der Schaffung eines gemeinsamen Raumes für Gesundheitsdaten vor. Dieser verfolge das Ziel, Unionsbürger:innen in die Lage zu versetzen, den Zugang zu Gesundheitsdaten europaweit uneingeschränkt wahrnehmen zu können. Zudem zum gesetzlich garantierten Zugang zu den und über die Möglichkeit des Austauschs der eigenen Daten sollen Patient:innen gleichzeitig mehr Kontrolle über diese erhalten. Sicher gespeichert, wären die Daten, der Vorstellung nach, nicht mehr ortsgebunden, wie es heute oft noch die Realität ist, sondern sie würden digital auf Wunsch der zu behandelnden Person von medizinischem Personal genutzt werden können.
Durch den besseren Zugang zu Gesundheitsdaten, nicht nur für Patient:innen und im Gesundheitswesen Tätige, sondern – anonymisiert – auch in der Sekundärnutzung für Forschende, politische Entscheidungsträger:innen und Akteur:innen im eHealth-Sektor verspricht sich die Kommission in Brüssel für einen Zeitraum von zehn Jahren Einsparungen in Höhe von 11 Milliarden Euro und 20 bis 30 Prozent zusätzliches Wachstum im digitalen Gesundheitsmarkt.
Der Norden geht mit Beispiel voran
Während der finnischen Präsidentschaft des Nordischen Ministerrats, ein zwischenstaatliches Forum skandinavischer Nationen, stieß das Land in Kooperation mit den baltischen Staaten ein Projekt an, das in diese Kerbe schlägt. Ziel des Vorhabens ist die Verbesserung des Austausch von Daten zwischen Akteur:innen über Grenzen hinweg. Explizit wird auch die Erprobung eines verbesserten Datenaustauschs zwischen den verschiedenen Gesundheitswesen in dem Abschlussreport des Ministerrats genannt.
Gesammelte medizinisch relevante Informationen wie jene aus Praxen, Kliniken und Apotheken in Land A, sollen Serviceprovider in Land B durch den sogenannten Single Digital Gateway erhalten. Durch einen europäischen Onlinedienst also soll eine in Schweden lebende Finnin ihre Patienteninformationen sicher abrufen können und ihrem schwedischen Arzt zur Behandlung zur Verfügungen stellen können. Neben dem vereinfachten Zugang zu den eigenen medizinischen Daten kann es durchaus sein, dass eine steigende Sekundärnutzung dieser Daten für die Forschung oder öffentliche Behörden einen Mehrwert bietet, der sich sowohl in verbesserter Datenlage und einem Schwung für biomedizinische Innovationen als auch evidenzbasierten gesundheitspolitischen Maßnahmen ausdrücken könnte. Diese Einschätzungen sowie die avisierte Vernetzung der nationalen Gesundheitsräume um die Jahre 2025 und 2026 herum sind natürlich eine optimistisch Betrachtung.
Was bedeutet das für uns und unsere Daten?
Gewissermaßen kann von einer „Europäisierung“ von Gesundheitsdaten gesprochen werden. Da die Schaffung des EHDS nicht mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO/GDPR) kollidieren darf, wird in dem anstehenden EHDS-Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat nichts beschlossen werden können, was private Gesundheitsdaten gefährden könnte.
Was ist der Single Digital Gateway?
Diese von der Europäischen Kommission vorgelegte Regulation sieht die Schaffung eines Netzwerks aus nationalen Portalen zur Bereitstellung von Informationen für Bürger:innen und Unternehmen über Grenzen hinweg vor.
tl;dr – In Kürze:
Weiterführende Literatur:
Brady, D., Kuiper, E. (2023) Is the European Health Union ready for the challenges of the 21st century? European Policy Centre. Abgerufen von: LINK
Europäische Kommission (2022) Fragen und Antworten – Gesundheit in der EU: europäischer Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space – EHDS). Abgerufen von: LINK
Europäische Kommision (n. d.) The single digital gateway and Your Europe. Abgerufen von: LINK
Dahl, A., Mattila, R., Olkkonen, L., Saarinen, H, Sandell, T. & Törnroos, T. (2021) Baltic study of cross-border data exchange in the Nordic and Baltic countries. Nordic Council of Ministers. Abgerufen von: LINK
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2023) 7,1 Millionen EU-Bürger/-innen arbeiten im EU-Ausland. Abgerufen von: LINK